Cross-Cluster-Initiative Thüringen: „Wir werden viel Arbeit in Organisation und Austausch investieren“
Im April 2020 haben sich 19 Thüringer Netzwerke und Einrichtungen branchenübergreifend zur Cross-Cluster-Initiative Thüringen (CCIT) zusammengeschlossen. Ziel ist es, Thüringer Unternehmen unkompliziert umfassende Informations- und Unterstützungsmöglichkeiten zur Verfügung zu stellen. Die Cross-Cluster-Initiative Thüringen ist ein bundesweit einzigartiger Zusammenschluss von verschiedenen Branchennetzwerken und Kompetenzzentren in Thüringen. Im Interview mit dem WIRTSCHAFTSSPIEGEL spricht Dr. Andreas Patschger vom Thüringer Zentrum für Maschinenbau über Ziele und Vorhaben der CCIT.

Dr. Andreas Patschger | Foto: TU Ilmenau

Jörg Flügge, Geschäftsführer BATIX Software GmbH: „Mir ist an der Arbeit des ThZM das praxisorientierte Denken besonders wichtig. Ausgesprochen gut finde ich auch, dass die Koordinierungsstelle sehr schnell und passgenau herausfindet, wer zu wem und zu welchem Projekt passt.“ | Foto: BATIX

Steffen Berghof, Geschäftsführer Berghof Group GmbH und Berghof Systeme e.K.: „Ganz grundsätzlich finde ich, dass jeder einzelne Förder-Euro, der in das ThZM fließt, gut ausgegebenes Steuergeld ist. Ich bin begeistert, wie schnell es Dr. Andreas Patschger von der Koordinierungsstelle immer wieder schafft, Technologiepartner für neue Projekte und Produkte zusammenzubringen.“ | Foto: IHK Ostthüringen

Produktion in Thüringen| Fotos: arifoto/Michael Reichel, HS Schmalkalden



Herr Dr. Patschger, Cluster, Initiativen, Netzwerke, Vereine: Für den Außenstehenden wird es unübersichtlich. In Thüringen gibt es jede Menge Kompetenz- und Innovationszentren – das ThZM, für das Sie arbeiten, ist nur eines davon. Was sagen Sie Unternehmern, die nicht wissen, an wen sie sich wenden sollen?
Für die Unternehmer in Thüringen gibt es ein breites Angebot an Unterstützung auf vielen verschiedenen Förderebenen. Dabei bleibt es leider nicht aus, dass vor lauter Anlaufstellen niemand mehr weiß, wohin er sich wenden soll. Das war auch ein Grund, uns in der Cross-Cluster-Initiative Thüringen zusammenzufinden.
Also fügen Sie der Menge der Netzwerke noch ein weiteres hinzu …
Die Idee hinter dem CCIT ist folgende: Durch den Austausch der Netzwerkmanager und Koordinatoren wissen wir mittlerweile alle sehr gut, welche Unterstützung man wo bekommen kann.
Ein Unternehmen kann sich also an alle im CCIT wenden und wird im Bedarfsfall an die entsprechenden Kollegen weitergeleitet.
Zusätzlich kann man auf der Homepage der CCIT die Angebote und Leistungen unserer Mitglieder und Unterstützer übersichtlich und in kleinen Videos dargestellt abrufen und den Kontakt zu den Netzwerkmanagern und Koordinatoren aufnehmen.
Sie sind Gründungsmitglied der Cross-Cluster-Initiative Thüringen (CCIT). Was war Ihr Antrieb, diese Plattform auf den Weg zu bringen?
Thüringen ist zwar klein, aber dafür sind auch die Wege kurz. Es kann auch von Vorteil sein, wenn sprichwörtlich jeder jeden zu kennen scheint. Den häufig empfundenen Nachteil der als kleinteilig und überschaubar beschriebenen Unternehmenslandschaft müssen wir in unseren Gewinn ummünzen.
So konnten sich die Netzwerke, Zentren und auch andere unterstützende Organisationen zu Beginn des ersten Lockdowns rasch zusammenfinden. Ziel war damals, schnell konkrete Unterstützung für die Firmen zu leisten und Informationen zu kanalisieren, zu bündeln und zentral zur Verfügung zu stellen. Dazu hatten wir den Netzwerktimer, der als Übersicht der Veranstaltungen Thüringer Netzwerke und Zentren konzipiert ist, zu einer Informationsplattform umgewandelt. Mittlerweile hat die CCIT auch ihre eigene Homepage, auf der wir netzwerkübergreifende Themen adressieren.
Die CCIT ist als regionale, branchenübergreifende Initiative in dieser Breite wahrscheinlich recht einzigartig in Deutschland. Aus Sachsen kam bereits die Anfrage, unser Modell den dortigen Netzwerken vorzustellen.
Wer ist in der CCIT aktiv?
Die CCIT versteht sich als loser Zusammenschluss verschiedener wirtschaftsaffiner Organisationen mit dem Ziel, Informationen offen auszutauschen und gemeinsame Aktionen für die Unternehmen in Thüringen zu entwickeln. Aufgrund der schon angesprochenen kurzen Wege haben wir eine bunte Durchmischung. Neben den klassischen Branchennetzwerken und den Thüringer Zentren unterstützen auch Organisationen wie das Clustermanagement der Landesentwicklungsgesellschaft und die STIFT die Initiative. Das werte ich als ein sehr positives Zeichen für Thüringen, weil wir es geschafft haben, den Austausch auf eine breite gesellschaftliche Basis quer über Wirtschaft, Wissenschaft und Politik hinweg zu organisieren.
Wo sehen Sie die Rolle der CCIT im nationalen und internationalen Standortwettbewerb?
Im Wettbewerb der Regionen werden in Zukunft genau diejenigen am erfolgreichsten sein, die am wirkungsvollsten den Austausch von Erfahrungen und Informationen und ihre Umsetzung in neue Produkte und Dienstleistungen organisieren. In den bestehenden Strukturen sind die Unternehmen entweder nur sehr lokal begrenzt oder nur in ihrer Branche vernetzt. Wenn wir uns vor Augen halten, dass Innovationen durch Neukombination von bereits vorhandenem Wissen entstehen, wird es notwendig, dass zum Beispiel der Südthüringer Werkzeugbauer in Kontakt mit der Jenaer Softwareschmiede kommen muss.
Um den Austausch mit branchenübergreifenden Themen zu fördern, veranstalten die Netzwerke der CCIT zum Beispiel das Industrieforum „Smarte Fertigung“ mit knackigen Praxisbeispielen, die das gesamte verarbeitende Gewerbe genauso adressiert wie den IT-Sektor, die Elektroniker oder die Sensoriker. Diese netzwerkübergreifenden Veranstaltungen sind wichtige Anknüpfungspunkte, um neue Perspektiven zu gewinnen und Impulse mitzunehmen. Zusätzlich lernen die Unternehmen das Angebot in Thüringen besser kennen und können sich untereinander austauschen.
Darüber hinaus bringen wir Unternehmen auch gerne auf direktem Wege zusammen. Die Netzwerkmanager kennen die Bedarfe ihrer Unternehmen sehr gut und durch den regelmäßig organisierten Austausch im CCIT können sie diese auch direkt adressieren.
Bisweilen wird Thüringer Unternehmen eine gewisse Zurückhaltung nachgesagt, wenn es um Kooperationen geht. Wie will die CCIT das aufbrechen?
Ein Netzwerk kann nur dann erfolgreich sein, wenn untereinander Kommunikationsbarrieren ab- und Vertrauen aufgebaut werden kann. Vertrauen ist das Fundament für jede Kooperation und muss systematisch zwischen den Unternehmen entwickelt werden. Das muss unser Ziel sein, wenn wir etwas zur Entwicklung der Region beisteuern wollen. In Zukunft wollen wir noch mehr direkten Kontakt zwischen den Unternehmen selbst und zu den Forschungseinrichtungen herstellen.
Das ThZM ist hier bereits mit dem „Netzwerkforum | ThZM“ aktiv, welches branchenübergreifend Geschäftsführer und Unternehmensinhaber in einem kleinen Kreis zusammenbringt. Dabei geht es zunächst gar nicht primär um Geschäftsanbahnungen, sondern – genau – darum, Vertrauen herzustellen und direkt in den Austausch auf persönlicher Ebene zu kommen. So entstehen Kooperationen von ganz alleine. Hier muss man an der Basis ansetzen und viel Arbeit in Organisation und Austausch investieren. Eine Zusammenarbeit entsteht nun mal nicht dadurch, indem sie verkündet oder eingefordert wird.
Interview: Torsten Laudien